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«Nicht nur liebliche Wesen»

Eine Hommage an das Flechten von Strohsternen, ein differenzierter Blick auf Engel. Und das Eintauchen in die Geschichte des Kleinen Prinzen. Das alles wird an der Weihnachtsansstellung in den Räumen des Singisen Forums möglich. Kurator Rudolf Velhagen freut sich: «Es soll eine partizipative Ausstellung sein.»

30. November 2022

  • Museum Kloster Muri
  • Aktuell
«Der Kleine Prinz» in Pop-up-Version, der Kurator Rudolf Velhagen am Einrichten. Da werden Zitate auch mal provisorisch mit Klebeband fixiert


Goldene Locken, liebliche Stimmen, weisse, reine Kleidchen. So würden viele Engel beschreiben. So ist das gängige Bild der himmlischen Wesen. Rudolf Velhagen lacht. «Es sind längst nicht alle Engel klein, süss und putzig», sagt er. Im Juden- wie im Christentum gebe es strafende Engel. Etwa jene, die Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben und seither die Türen bewachen. «Wir Menschen sind theologisch gesehen von Engeln Vertriebene, trotzdem haben viele ein einseitiges, nur positives Bild von Engeln», weiss der Kurator. Dass es der schönste und stattlichste Engel war, der das himmlische Orchester leitete und Luzifer hiess, wissen nur wenige. Dass dieser Engel es war, der einen Aufstand gegen Gott plante und darum verbannt und zum Satan wurde, ebenfalls.  Das Spektrum an Themen rund um die Engel ist weit, Und bewusst öffnet Rudolf Velhagen nur ein kleines Fenster. «Die Ausstellung soll Anreize schaffen, sich vertieft mit dem Thema zu beschäftigen». so der Kurator. Dass dies mehr als lohnenswert ist, will er mit einer kleinen Auswahl des riesigen Spektrums beweisen. Männliche Engel, erotische Engel, auch kitschige Darstellungen, aber vor allem kulturhistorische Exponate werden präsentiert. Denn, Engel spielen nicht nur in der christlichen Tradition eine grosse Rolle. «Es gibt Darstellungen in der griechischen und ägyptischen Kunst, also in der Antike», führt Velhagen aus. Die Siegesgöttin Nike sei ein Beispiel. Im Rahmen der Weihnachtsausstellung werden exklusive Leihgaben aus dem Bibel- und Orientmuseum Freiburg in Muri zu sehen sein.


Begegnung mit einem Engel

Islam, Judentum, Christentum – Engel kommen in verschiedenen Religionen vor. Und Velhagen weiss, dass diese durchaus nicht nur lieblich dargestellt wurden. «Wenn ein Engel einem Menschen begegnet, sagt er: <Fürchte dich nicht.> Das ist doch ein deutliches Zeichen, dass sie durchaus auch angsteinflössend sein konnten.» Velhagen selber glaubt an die Existenz der himmlischen Wesen und er ist überzeugt, gar schon einem begegnet zu sein. «An einem Samstag in Baden, kurz vor einer Vernissage. Er lief neben mir, sass neben mir auf der Bank, dann war er weg», erzählt Velhagen. Die Weihnachtsausstellung beschränkt sich nicht auf Engel. Auch Sterne spielen in der Weihnachtszeit eine grosse Rolle – im Freiamt besonders die Strohsterne. Und diesen widmet Velhagen einen ganzen Raum. Um sie besonders leuchten zu lassen, wird eine Wand rot gestrichen. «Es ist faszinierend, wie viel handwerkliches Geschick an den Tag gelegt werden musste, damit solche Kunstwerke entstehen», ist Velhagen begeistert. Es werden Exponate von Anna Hoppler, «Stroh-Anni» aus Rottenschwil, gezeigt, auch Leihgaben aus dem Strohmuseum in Wohlen sind zu sehen.

Tragische Aktualität

Den dritten Raum widmet Rudolf Velhagen dem Kleinen Prinzen, der Geschichte von Antoine de Saint-Exupery. Natürlich liegt das Buch auf, in einer speziellen Pop-up-Version. Der Autor, seine Philosophie, seine Gedanken zur Liebe, zur Freundschaft, zum Leben – 1943 während des Zweiten Weltkriegs geschrieben, erfährt eine tragische Aktualität. Velhagen wünscht sich, dass dieser Raum, die ganze Ausstellung, das Publikum dazu einladen, sich selber Gedanken zu diesen Themen zu machen, sich selber zu reflektieren und damit Teil der Ausstellung zu werden. «Ende Jahr ist immer ein guter Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen und sich Gedanken zu machen. Die Besucherinnen und Besucher können das gerne bei uns tun.» Es wird eine entsprechende Schreibwerkstatt geben. «Der kleine Prinz» – im Fernsehprogramm gehört er zu Weihnachten wie Aschenputtel. Seine Geschichte sorgt für Emotionen, bei Klein und Gross. «Die gesamte Weihnachtsausstellung richtet sich bewusst an alle. Von Kindern bis zu Erwachsenen», sagt Velhagen.

Strohsterne ans Freiämter Hanshalten 

Teil der Ausstellung sein, das will der Kurator nicht nur mit der Schreibwerkstatt ermöglichen. Schon im Vorfeld wurde ein Aufruf gestartet, dass die Bevölkerung Strohsterne abgeben konnte. «45 Leute folgten dem, toll», sagt Velhagen. Damit wird er den Gang des Singisenforums gestalten. «Wie genau, weiss ich noch nicht. Ich stelle mir eine Art Sternenhimmel vor», sagt der Kurator. Auch die Gedanken zu den Sternen sollen ihren Platz finden. «Viele verbinden Emotionen mit solchen Objekten, das macht sie nochmals lebendiger.» An verschiedenen Veranstaltungen können die Besucherinnen und Besucher noch mehr in die Welt der Engel und Sterne eintauchen. Ob mit Archäologe und Historiker Sebastian von Peschke auf den Spuren der Ursprünge der Engelwesen oder bei einer Gesprächsrunde zur Strohindustrie im Freiamt oder bei der Betrachtung der himmlischen Heerscharen in der Klosterkirche. Die Ausstellung wird am 26. November eröffnet und ist bis am 8. Januar frei zur Besichtigung.

Artikel aus dem Freiämter vom Freitag, 11. November 2022 
Text und Bild: Annemarie Keusch